Zum ersten Teil.
Der Umgang in der stoischen Tradition der frühen Kirche
In der frühen Kirche wurde die Stoa herangezogen, um einen spirituellen Umgang mit dem Leid zu finden. Johannes Chrysostomus versuchte den Satz „keiner kann dich verletzen außer du selbst“ ins biblisch-christliche Denken zu übersetzen. Es sind die falschen Vorstellungen, die ich mir vom Leben mache, an denen ich mich verletze. Sein Beispiel ist die Rede Jesu vom Haus auf dem Felsen. Solange ich mein Leben auf Christus gebaut habe, wird nichts es zum Einsturz bringen können. Ist das Haus jedoch auf Illusionen und falsche Ziele gebaut, wird das Leid es zum Einsturz bringen. Das Leid zieht einem in der Tat vieles weg, es trägt nicht mehr. Ein christliches Leben ist tiefer gegründet, nicht einmal der Tod wird das Lebenshaus zerstören können. P. Anselm findet die Gedanken des Chrysostomus faszinierend, aber sie haben für ihn auch ihre Grenzen, weil der Mensch nicht nur Intellekt, sondern auch Gefühl und Leib ist, die durch Leid so sehr in Mitleidenschaft gezogen werden, dass Verstandestätigkeit den Schmerz nicht durchdringen kann. Erst wenn der Mensch zur Ruhe gekommen ist, ist er einem solchen Gedankengang gegenüber wieder aufgeschlossen. Dann kann er erahnen, dass das Reich Gottes in ihm ist, ein inneres Heiligtum, das gr. „autos“, in dem das Leid keine zerstörerische Macht mehr hat.